Vom Gewässerbiotop zum Betonbiotop – ein Lehrstück über Opfer, Ohnmacht und Berechenbarkeit!

03.Dez.2025 /P-headli.-cont.-red./470[163(38-22)]/CLA-306/45-2025

Windeignungsgebiet 43/25 – ein Konflikt zwischen Klimazielen und Lebensräumen

Zwischen den sanften Hügeln und den wasserreichen Senken des Crivitzer Ortsteils Wessin liegt ein Gewässerbiotop, das über Jahrzehnte hinweg ein Rückzugsraum für Vögel, Amphibien und Schlafplatz für Rotmilane und andere Großvögel sowie seltene Pflanzen war. Wessin ist mehr als nur ein Ortsteil von Crivitz. Es ist eine Landschaft, die seit Jahren als Rastplatz für Zugvögel dient und Nahrungshabitate für viele Großvögel darstellt deren Bedeutung weit über die Region hinausreicht.

Hier finden sich die großen Trupps der Kraniche, die im Herbst und Frühjahr majestätisch über die Felder ziehen und in Scharen zu hunderten auf den Wiesen niedergehen. Störche haben ihre Horste in der Nähe, Großvögel brüten in den geschützten Bereichen, und die Vielfalt der Arten macht Wessin zu einem lebendigen Naturraum, der jedes Jahr aufs Neue seine Rolle im großen Kreislauf der Vogelwanderungen erfüllt.

Doch dieses Biotop steht nun vor seiner endgültigen Transformation – nicht durch natürliche Prozesse, sondern durch den Druck der Energiewende und die Berechenbarkeit politischer Entscheidungen.

Ab 2025 soll hier das Windeignungsgebiet 43/25 entstehen. 16 bis 20 Windräder sind geplant, jedes von ihnen ein technisches Monument bis zu einer Höhe von 230m, das auf einem Fundament aus bis zu 1.700 Tonnen Beton und hunderten Tonnen Stahl ruht.

Pfahlgründungen werden den Boden durchbohren, Zufahrtswege die Landschaft zerschneiden, und das Biotop, das bislang als lebendiger Organismus existierte, wird zu einem „Betonbiotop“ degradiert – ein Sinnbild für die Rücksichtslosigkeit, mit der Natur geopfert wird, wenn nationale Energieziele und kommunale Einnahmen für die klamme Stadtkasse auf dem Spiel stehen.

Besonders finden sich im Genehmigungsbescheid selbst: Dort finden sich Entscheidungen über Ausnahmegenehmigungen, die den Eingriff in Biotope und den Schutz von Arten rechtlich absichern sollen – und zugleich zeigen, wie weit staatliche Stellen bereit sind, Kompromisse zu machen. So wird festgehalten, dass bestimmte Biotope zwar grundsätzlich unter Schutz stehen, aber im „überragenden öffentlichen Interesse“ der Energieversorgung eine Ausnahme zulässig ist. Mit juristischen Formeln wie „keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen“ oder „Abwägung im Rahmen der Raumordnung“ wird die Zerstörung von Lebensräumen legitimiert. Selbst streng geschützte Bereiche werden durch Auflagen wie Ersatzmaßnahmen oder Monitoring scheinbar ausgeglichen, obwohl jeder weiß, dass ein zerstörtes Gewässerbiotop nicht einfach ersetzt werden kann. Diese Ausnahmeentscheidungen sind der stille Beweis dafür, dass der Naturschutz längst zur Verhandlungsmasse geworden ist – ein Hindernis, das man mit Paragraphen überwindet, statt ein Wert, den man schützt.

Die Bürger sehen, wie ihre Landschaft verschwindet, wie Natur geopfert wird, wie Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg getroffen werden. Sie erleben die Ohnmacht einer Kommune, die zwar protestiert, aber am Ende doch berechenbar ist: Wer zahlt, bestimmt. Die Investoren liefern Einnahmen, die Stadt Crivitz  liefert Flächen. Das Gewässerbiotop in Wessin wird so zum Bauernopfer – ein Opfer im nationalen Interesse der Energiegewinnung und zugleich ein Opfer im kommunalen Interesse, Einnahmen zu generieren.

Doch hinter dieser technischen und ökologischen Dimension steht eine politische und gesellschaftliche Wahrheit: Die Energiewende wird als „grün“ verkauft, doch sie ist oft eine Naturwende – vom Biotop zum Beton. Klimaziele werden gegen Naturschutz ausgespielt, Einnahmen gegen Artenvielfalt, Beton gegen lebendige Ökosysteme. Die Stadt Crivitz, die Bürger, die Tiere – sie alle sind Teil eines Spiels, dessen Regeln längst nicht mehr vor Ort geschrieben werden.

Fazit: