16.Okt.-2023/P-headli.-cont.-red./307[163(38-22)]/CLA-144/85-2023
Es ist die überwiegende Praxis von den derzeitigen Gewählten in anderen Kommunen, dass heikle und unliebsame Themen in der Kommunalpolitik, die für Diskussionen oder Fragen bei Besuchern auf Sitzungen sorgen könnten, einfach auf die aktuelle Tagesordnung gesetzt werden. Da die überwiegenden Hauptsatzungen der Gemeinden des Amtes Crivitz es vorsehen, dass Bürger und Besucher auf öffentlichen Sitzungen keine Fragen stellen dürfen zu den aktuellen Tagesordnungspunkten, sind sie somit gezwungen zu schweigen. Laut Kommunalverfassung muss dann wirklich der Bürger schweigen. Natürlich ist diese Situation für die Gewählten sehr angenehm, da der Wind nicht so stürmisch von vorn wehen kann und die Problematik mit heiklen Themen damit einfacher geklärt ist.
Es ist in Crivitz ein wenig anders, hier besteht die Möglichkeit, im Rahmen der Einwohnerfragestunde Fragen zu stellen, Anregungen zugeben und Kritiken zu aktuellen Tagesordnungspunkten zu unterbreiten. Manchmal ist das eine ziemliche Herausforderung für die gewählten oder nachgerückten Mitglieder der Stadtvertretung.
Angesichts dessen haben die Mehrheitsfraktionen von CWG und die Fraktion DIE LINKE/HEINE seit etwa 4,5 Jahren eine andere Vorgehensweise entwickelt, um solche Debatten zu unterbinden. Anfangs der Wahlperiode war es üblich, den klassischen fragenden und kritischen Aktivbürger bei seinen vortragenden Fragen oder Kritiken permanent zu unterbrechen, um ihn zu verwirren und unglaubwürdig zu machen. Die Bürger wurden in den darauffolgenden Jahren wiederholt unterbrochen, jedoch stets mit dem Hinweis, dass man lediglich Fragen stellen sollte. Das stimmt natürlich nicht.
Laut Kommunalverfassung kann der Bürger Fragen stellen, Hinweise geben und auch Kritik äußern, was schon einige rote Köpfe bei Abgeordneten verursacht hatte. Deshalb praktiziert man nun in Crivitz seit etwa 18 Monaten eine andere Methode, man deklarierte ganz einfach bestimmte Tagesordnungspunkte für nicht öffentlich.
In einigen Crivitzer Sitzungen ist man inzwischen bereits so professionell unterwegs, dass man in einigen Tagesordnungspunkten plötzlich und unerwartet schützenswerte Angaben (also Datenschutz) entdeckt habe und diese erst am Anfang der Sitzungen dann als nicht öffentlich deklariert. Der Bauausschuss (Vorsitzender Alexander Gamm) hat hierzu schon eine sehr perfekte Strategie entwickelt, aber auch die Stadtvertreterversammlung (Leitung Britta Brusch-Gamm) ist im Deklarieren nicht nachlässig. Die Ortsteilvertretung Wessin (Vorsitzender Daniel Itze) muss noch etwas üben, aber man schaut sich schon viel von der Nähe zur Bürgermeisterin ab.
In den vergangenen vier Wochen wurden folgende Themen als nicht öffentlich deklariert. Hier finden Sie nur einige Beispiele:
Der Entwurf für eine neue Friedhofssatzung, die die Gebührensätze berücksichtigt, wurde im Kulturausschuss und im Umweltausschuss erneut nicht öffentlich diskutiert. Das Thema muss so heiß sein, dass man sich nicht trauen kann, es öffentlich zu diskutieren. Zudem wurden die Gebühren bereits vor etwa zwölf Monaten erhöht und die Bestattungsarten geändert. Zu diesem Thema besteht aber ein öffentliches Interesse! Welche legitimen Interessen sollten bei diesem Thema gewahrt werden, um nicht der öffentlichen Wahrnehmung zu unterliegen?
In der Ortsteilvertretung in Wessin wurde die Haushaltsplanung 2024 geheim gehalten. Aber was soll hier so streng geheim sein, dass man darüber nicht öffentlich sprechen darf? Hat sich der Haushalt wirklich so schlecht entwickelt wie sein Ruf? Auch eine Beratung zu Fotovoltaikanlagen würde als nicht öffentlich deklariert? Die geplanten Fotovoltaikanlagen und die Pläne zur Errichtung sind bekannt und dass die Pläne weiterhin verfolgt werden, ist ebenfalls bekannt. Schon vor Monaten hatte man seit Längerem seine favorisierten Partner in Zusammenarbeit mit Investoren und Firmen ausgewählt und öffentlich benannt. Also was soll hier noch schützenswert sein, wo bereits alles bekannt gegeben wurde? Gibt es hier eine gewisse Angst vor dem Bürger öffentlich zu debattieren?
Im Rahmen der Bauausschusssitzung wurde über die Abwägung des Bebauungsplanes Nr. 15 (Energiepark Barnin-Crivitz-Zapel, Teilbereich Crivitz) der Stadt Crivitz nicht öffentlich abgestimmt. In diesem Plan ist vorgesehen, dass auf einer Fläche von ungefähr 149 ha im Teilbereich Wessin zahlreiche Windräder errichtet werden sollen! Es sei jedoch erwähnt, dass der Bauausschuss am 16.02.2023 den Beschluss gefasst hat, das gesamte Verfahren einzustellen. Obwohl die Umstände, unter denen dies geschehen ist, weiterhin ungeklärt sind, bleibt die Angelegenheit weiterhin streng geheim, obwohl es vom öffentlichen Interesse ist. Eine völlige Zustimmung hierzu kann jedoch angenommen werden, da der Vorsitzende das Ergebnis bereits im Stadtblatt angedeutet hat. Es dürfte schwer sein, sich in der jetzigen Situation zu wehren, da sich auch niemand in der Stadtvertretung findet, der sich überhaupt noch beim Thema WINDPARK wehren will.
Folglich wird auch die CDU-Fraktion Crivitz und Umland sich nicht mehr bei dem Thema Wind enthalten können. Sie wird sicherlich sehr wohlwollend zustimmen, denn die Nachfrage und die Aufträge / Umsätze sind eben beim Windgeschäft zu sehr aussichtsreich, um sich zu enthalten oder dagegen zustimmen.
Im Weiteren ging es um die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zu einem Bauantrag in der Nutzungsänderung von Dauervermietung zur Kurzzeitvermietung. Warum nun in der Friedensstraße Nr.6 plötzlich eine Kurzzeitvermietung in Betracht kommt als eventuell Ferienwohnung (Touristen oder Geschäftsreisende) oder etwas anderem sind unerklärlich und bleiben nicht öffentlich! Eine kurzzeitige Vermietung gilt als kurzzeitig, wenn sie unter sechs Monaten liegt. Daher ist die Dauer des Mietverhältnisses von einem bis sechs Monaten abhängig. Benötigen wir in Crivitz keine Wohnungen mehr für Dauervermietungen? Gibt es in Crivitz keinen Mangel an Wohnungen?
Insgesamt führt das schließlich dazu, dass die Bürgermeisterin erneut eine Lektion aus der Kommunalverfassung zum Thema NICHT Öffentlichkeit verfasst, primär für das sogenannte Stadtblatt, in der sie zwar einige Aspekte öffentlich diskutiert, jedoch darüber hinaus gänzlich unausgewogen reflektiert.
Dort heißt es zum Beispiel: „Es gibt für den Ausschluss der Öffentlichkeit definierte Gründe durch die Kommunalverfassung: “..… „Wenn überwiegende Belange des öffentlichen Wohls oder berechtigte Interessen Einzelner es erfordern.“ Das heißt z.B. bei der Preisgestaltung oder internen Daten der Firmen bei Auftragsvergaben, ein Teil der Bauunterlagen bei einem Bauantrag/gemeindlichen Einvernehmen (konkrete Bauzeichnungen, Namen usw.), Personalangelegenheiten, Grundstücksangelegenheiten, Anträge auf Stundung und Erlass usw. „Stadtblatt September 2023
Bedauerlicherweise ist das alles nicht so, wie es dargestellt wurde. Die Hauptsatzung von Crivitz legt fest, dass lediglich in bei Personalangelegenheiten Einzelner, Steuer- und Abgabeangelegenheiten Einzelner, Grundstücksgeschäfte, Vergabe von Aufträgen,die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. Folglich ist die öffentliche Diskussion bezüglich Bauanträgen, Bauzeichnungen, gemeindlichen Einvernehmen und Grundstücksangelegenheiten öffentlich, was auch in diversen Kommentaren und der Rechtsprechung zur Kommunalverfassung MV bestätigt wurde. Zudem waren dies auch in den letzten Jahren der Veröffentlichungen des Amtes Crivitz gleichsam gängige Praxis. Unter „berechtigte Interessen Einzelner“ fällt in der Regel alles, was auch dem Datenschutz unterliegt. Schwierig ist die Antwort auf die Frage, welche Belange des öffentlichen Wohls höher wiegen als das demokratische Kontrollinteresse. Dies kann nur im Einzelfall entschieden werden.
Es gibt jedoch auch die Meinung, dass die Entscheidung über Aufträge (AUFTRAGSVERGABEN) in öffentlicher Sitzung gefällt werden muss. Dann ist es nicht möglich, die Aufgaben an einen nicht öffentlich tagenden Hauptausschuss zu verteilen. Das ist auch nicht nötig, denn der Hauptausschuss ist in Crivitz öffentlich. Daher besteht die Möglichkeit, sämtliche dieser Themen öffentlich zu diskutieren! Was ist der Grund, warum man das alles nicht möchte? Zu nennen ist hier sicherlich die Gewährleistung der äußeren Sicherheit, etwa wenn militärische Geheimhaltung ins Spiel kommt. Teilweise wird auch vertreten, dass Auftragsvergaben in öffentlicher Sitzung entschieden werden müssen.
Also ist es möglich! Warum will man das alles nicht?
Kommentar/Resümee
„Die Dinge müssen geheim und im Dunkeln getan werden“. Jean-Claude Juncker!
Ist es wirklich so, dass alles im Dunkeln bleiben muss? Haben einige Leute Angst vor der Kommunikation oder dem Gespräch mit den Bürgern und anderen Meinungen? Es könnte doch auch sein, dass einmal der kritische Aktivbürger mit seiner anderen Meinung Recht hat. Und wenn ja, was ist dann?
Die Darstellung einer Nichtöffentlichkeit zu einem Tagesordnungspunkt wird häufig sehr persönlich und einseitig vom Versammlungsleiter dargestellt und ausgelegt. Die CDU-Opposition Crivitz und Umland folgt meistens den Vorschlägen der Versammlungsleitung zur Nichtöffentlichkeit. Sie scheinen sehr zurückhaltend zu sein, um den Burgfrieden mit der CWG und die LINKE/Heine nicht zu gefährden, da sie keine einheitliche Vorgehensweise definieren und zudem sind fundierte Kenntnisse im Kommunalrecht vonnöten!
Die nächste Sitzung des Bauausschusses am 19. Oktober ist das beste Beispiel dafür, wie man einen Tagesordnungspunkt zur Nichtöffentlichkeit macht. Eigentlich sollte dieser Punkt im Rahmen der Sitzung im Mittelpunkt stehen, nämlich die Haushaltsplanung 2024. Wie reagiert der Versammlungsleiter und Vorsitzende des Ausschusses, Herr Alexander Gamm auf diese Thematik, indem er den betreffenden Punkt in die nicht öffentliche Debatte verschiebt? Er beschreibt diesen Punkt einfach mit den zusätzlichen Worten „Haushaltsplan für 2024 – im Detail, Sachkosten und Personalplanung“, und schon beginnt die Diskussion hierzu im nicht öffentlichen Teil. Es ist das erste Mal seit fünf Jahren, dass dieser Punkt so plötzlich umbenannt wurde. Wahrscheinlich gab es zu viele öffentliche Kritik, die man hier aus dem Weg gehen möchte. Der Bauausschuss kann keine Personalplanung erstellen und kann darüber auch nicht diskutieren, außer dass es sich um die überdimensionierten kommunalen Bauhöfe in Crivitz und Wessin handelt.
Die nicht öffentliche Debatte zum Haushalt 2024 schützt den Bauausschuss davor, über die genauen Zahlen zu sprechen oder tiefe Einblicke in die Investitionen im Jahr 2024 zu geben, die wahrscheinlich nicht mehr möglich sind, da vermutlich kein Geld mehr vorhanden ist. Denn angesichts einer stetig gesunkenen Liquidität, hoher Verschuldung und exorbitanter gestiegener Personalkosten (ca. 125 Mitarbeiter in Crivitz-Tendenz steigend) und Betriebskosten traut man sich nicht, den Bürger im Ausschuss zu genauen Zukunftsplänen zu informieren!
Ist es weiterhin möglich, sich hinter der Kommunalverfassung einfach zu verstecken?
Es wäre erfreulich, wenn die Bürger im kommenden Kommunalwahlkampf 2024 genauer hinschauen würden, um die politischen Strömungen in Crivitz zu analysieren und sich für eine Vielzahl von Parteien zu entscheiden, um die Demokratie neu zu beleben!
Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, sagte in seiner Festrede in der Elbphilharmonie am 3.10.2023: „Die Demokratie lebt auf Dauer nur, wenn wir alle miteinander im Gespräch bleiben.“ Harbarth mahnte darüber hinaus „diskursfähig und diskursbereit zu bleiben. Niemand komme ohne Kompromisse aus. In Deutschland sei vieles gut, einiges exzellent, aber manches kann und muss verbessert werden, um auch in Zukunft zu bestehen“.