14.Nov.2025 /P-headli.-cont.-red./467[163(38-22)]/CLA-303/42-2025
Beteiligung oder nur ein schöner Name?

Akzeptanz durch Beteiligung? Der neue Entwurf im Check!
Die SPD- und Linke-geführte Landesregierung von MV hat einen neuen Entwurf des Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetzes (BüGembeteilG M-V) vorgelegt. Es soll die Menschen stärker am Ausbau von Wind- und Solarenergie beteiligen und gleichzeitig die Akzeptanz für neue Anlagen erhöhen. Auf dem Papier klingt das nach Fortschritt – doch wer genauer liest, erkennt schnell: Die Beteiligung bleibt kompliziert, unverbindlich und für die Bürger meist nur ein Versprechen.
Der Wirtschaftsminister Herr Minister Dr. Wolfgang Blank präsentierte den Entwurf mit Nachdruck:
- „Der Gesetzentwurf stellt den Verhandlungspartnern einen Baukasten mit Beteiligungsmodellen zur Verfügung. Diese sind im Land erprobt und vielfältig kombinierbar.“
- „Sollte gar keine Beteiligungsvereinbarung abgeschlossen werden, kommen wir zum Thema der Ersatzzahlung. Die fällt für den Vorhabenträger an das Land. Das Land verwendet die Mittel für Akzeptanz steigernde Projekte im Landkreis des Vorhabens.“
- Die Landesregierung feiert das Gesetz als Fortschreibung eines Erfolgsmodells: mehr Beteiligung, weniger Bürokratie, höhere Erträge.
„Wind und Sonne: Wer profitiert wirklich?“
Was steht im Gesetzentwurf?
Im sogenannten Standardmodell für Windräder sollen Gemeinden 0,3 Cent pro Kilowattstunde erhalten und die Bürger ebenfalls 0,3 Cent – zusammen also 0,6 Cent. Das ist die Zahl, mit der die Landesregierung wirbt. Allerdings handelt es sich nur um eine Soll-Regelung. Verbindlich ist lediglich eine Beteiligung von 0,2 Cent für die Gemeinde und 0,2 Cent für die Bürger.
Grundlage der Berechnung
- Die 0,3 Cent/kWh (Wind) und 0,2 Cent/kWh (Solar) beziehen sich immer auf den tatsächlich produzierten und ins Netz eingespeisten Strom. Es geht also nicht um die installierte Leistung (MW) oder theoretische Erträge, sondern um die wirklich erzeugte Energiemenge, die über den Netzanschluss läuft. Damit ist die Berechnungsbasis eindeutig: jede Kilowattstunde, die aus der Anlage kommt und eingespeist wird, löst die Zahlung aus.
Konsequenz
- Für Gemeinden bedeutet das: Je nach Windjahr oder Sonnenertrag schwanken die Einnahmen. Für Betreiber ist es kalkulierbar, da die Zahlungen direkt an die Einspeisemenge gekoppelt sind. Wenn keine Vereinbarung zustande kommt, fließen diese Cent-Beträge als Ersatzzahlung an das Land und werden über den Landkreis verteilt.

Bei Solarparks sind die Beträge noch kleiner: jeweils 0,1 Cent pro Kilowattstunde für Gemeinde und Bürger. Gemeinden können außerdem statt Zahlungen auch Anteile an Anlagen erwerben oder ganze Anlagen kaufen – eine Option, die in der Praxis wohl nur selten genutzt wird.

Wie laufen die Verhandlungen?
Bei Windrädern: Alle Gemeinden im Umkreis von 2,5 Kilometern müssen einbezogen werden. Bei Solarparks: Nur die Standortgemeinde ist beteiligt. Wenn mehrere Gemeinden betroffen sind, müssen sie sich auf eine gemeinsame Verhandlungsführung einigen. Tun sie das nicht, übernimmt automatisch das zuständige Amt.
1. Beginn der Frist
- Die Verhandlungsfrist beginnt erst nach der Genehmigung der jeweiligen Anlage (Windrad oder Solarpark). Das bedeutet: Erst wenn die Anlage rechtlich genehmigt ist, startet die Uhr für die Beteiligungsverhandlungen.
2. Dauer der Frist
- Innerhalb von 12 Monaten nach der Genehmigung muss eine Beteiligungsvereinbarung zwischen Betreiber und Gemeinde abgeschlossen sein. Diese Frist gilt sowohl für Windenergieanlagen als auch für Photovoltaik-Freiflächenanlagen.
Kommt keine Einigung zustande, greift die Ersatzzahlung:
- Windräder: 0,3 Cent/kWh an das Land.
- Solarparks: 0,2 Cent/kWh an das Land.
Das Geld fließt nicht direkt an die Gemeinde, sondern in ein Sondervermögen des Landes und wird im jeweiligen Landkreis für „akzeptanzsteigernde Maßnahmen“ verwendet. Die Gemeinde hat keinen direkten Zugriff, sie kann lediglich Anträge stellen. Für die Bürger bedeutet das: Sie bleiben außen vor, es sei denn, ihre Gemeinde hat zuvor eine Vereinbarung mit dem Betreiber getroffen.

Die Kernfrage: Bleibt der Bürger außen vor?
- Kurz gesagt: Ja, wenn es nur zur Ersatzzahlung ans Land kommt.
- Nicht zwangsläufig: Nein, wenn Gemeinde und Betreiber eine Vereinbarung schließen, die Einwohner direkt beteiligt (Gutschriften/Direktzahlungen) – das ist möglich und politisch gewollt, aber nicht garantiert.
- Realistisch: Der Bürger hängt an der Verhandlungskultur seiner Gemeinde und der Kompromissfähigkeit des Betreibers. Scheitert das, bleibt die Beteiligung indirekt und oft zeitverzögert über Landkreis-Projekte.
- Die Linke: Sie hingegen loben das Gesetz als „guten Tag für die Energiewende“ und sehen darin mehr Akzeptanz und weniger Bürokratie.
- „Vertrauen wächst, wenn Gemeinden vor Ort mitentscheiden und profitieren.“
- → Die Linke sieht im Gesetz einen Schritt zu mehr Teilhabe und lokalem Einfluss.
- SPD: Sie feiert den Gestzentwurf als Verbindung zwischen Klimaschutz, Wirtschaftskraft und soziale Gerechtigkeit. „Der Taler in der Tasche ist die konkreteste Form der Teilhabe an der Energiewende, die die Menschen erfahren können. Wir sind hier in Mecklenburg-Vorpommern konkret und handfest, schaffen Akzeptanz und keine Sonntagsreden.“
- → Die SPD betont, dass finanzielle Beteiligung greifbar sein muss, damit Bürger die Energiewende mittragen und Vertrauen entsteht.
Kritik der Opposition
Die Opposition spart nicht mit deutlichen Worten:
- AfD: Sie sehen ein „Akzeptanzkaufprogramm“. Bürger würden mit kleinen Beträgen ruhiggestellt, während Betreiber die eigentlichen Profiteure sind.
- „Man kauft Zustimmung, aber keine Mitbestimmung.“
- → Die AfD warnt vor einer Scheinbeteiligung, die echte Mitsprache ersetzt.
- Grüne: Sie sprechen von einer „Nebelkerze“. Die 0,6 Cent seien unverbindlich und ökonomisch kaum darstellbar.
- „Wer Erwartungen weckt, ohne Anspruch zu geben, produziert Frust statt Zustimmung.“
- → Die Grünen sehen im Gesetz ein Placebo ohne echte Wirkung für die Bürger.
- CDU: Für sie ist es ein „Gemeindefinanzierungsgesetz mit optionaler Bürgerkomponente“. Bürger hätten keinen Rechtsanspruch.
- „Ohne direkte Ansprüche bleibt Beteiligung am Ende eine Frage des guten Willens.“
- → Die CDU kritisiert, dass Bürger nur hoffen dürfen, aber nichts einklagen können.
- FDP : Das Gesetz sei eher ein „Bürgerbeteiligungsverhinderungsgesetz“ –
- „Der Taler in der Tasche wirkt wie eine Karotte, die vor den Bürgern gehalten wird, die sie niemals erreichen.“
- → Die FDP- meint das Gesetz sei ein „Geburtsfehler“, voller Stolperfallen, mit unsicheren Verhandlungen, langen Fristen und finanziellen Risiken. Am Ende profitiere eher die Landeskasse als die Bürger.
Was heißt das für die Bürger?
Für die Menschen vor Ort bleibt die Beteiligung nach dem jetzigen Entwurf des Gesetzes unsicher. Wenn eine Vereinbarung zustande kommt, können kleine Beträge auf der Stromrechnung oder Direktzahlungen fließen – spürbar, aber meist überschaubar. Wenn die Verhandlungen scheitern, landet das Geld beim Land, der Landkreis entscheidet über die Verwendung, und der Bürger sieht davon nichts direkt.
Ironisch gesagt: Die Windräder drehen sich vor der Haustür, die Beteiligung dreht sich um Verhandlungen – und wenn die scheitern, dreht sich das Geld Richtung Landeskasse.
Nachtrag:
Windeignungsgebiet – 43/25 bei Crivitz (OT-Wessin) – Fristen verstrichen, Beteiligung verpufft?
Nach dem jetzigen Entwurf des Bürgerbeteiligungsgesetzes 2.0 gilt eine klare Regel: Innerhalb von zwölf Monaten nach Genehmigung einer Anlage müssen Betreiber und Gemeinden eine Beteiligungsvereinbarung schließen. Bei Windrädern sind alle Gemeinden im Umkreis von 2,5 Kilometern beteiligt, bei Solarparks nur die Standortgemeinde. Kommt keine Einigung zustande, greift die Ersatzzahlung an das Land, die in ein Sondervermögen fließt und über den Landkreis verteilt wird – nach einem gestellten ANTRAG der Gemeinde- Bürger profitieren dann nicht direkt.
Im Windeignungsgebiet 43/25 bei Wessin, wo bis zu 20 Windräder entstehen sollen, ist diese Frist jedoch schon Geschichte. Die Genehmigung wurde am 4. Oktober 2024 erteilt, die Öffentlichkeit erfuhr davon erst im Februar 2025. Selbst wenn das Gesetz im Dezember 2025 beschlossen wird, wäre die Frist längst verstrichen – ironisch gesagt: die Beteiligung ist schon verfrühstückt, bevor das Gesetz überhaupt gilt.

Hinzu kommt: Bereits rund 60 % der Fundamente für die 20 Windenergieanlagen sind fertiggestellt. Es wird also längst aktiv gebaut, während die Beteiligungsdebatte noch auf dem Papier geführt wird. Die Bürgermeisterin von Crivitz, Britta Brusch-Gamm, stellte am 17. März 2025 im Bericht zu wichtigen Angelegenheiten klar: „Bis zum heutigen Tag haben keine Gespräche mit dem Bauherrn stattgefunden.“ Damit ist deutlich: Verhandlungen sind nicht nur gescheitert, sie haben faktisch gar nicht stattgefunden.
Besonders bemerkenswert ist ihre politische Stellungnahme aus Juli 2024 an den regionalen Planungsverband Westmecklenburg, als die Stadt Crivitz noch große Pläne hatte: „Wir würden gern, im Rahmen des Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetz MV, aus Mangel an eigener Fläche in diesem Gebiet, ein ‚physisches‘ Windrad haben wollen – weil 20 % Beteiligung deutlich mehr als ein einzelnes Windrad wären und damit der vernünftige Nutzen für unsere Gemeinde gleichzeitig ein wesentlich besserer wäre.“ Damals wollte man noch groß einsteigen. Heute stellt sich die Frage: Ist das alles nur Luft – oder bezieht sich diese Vision inzwischen auf das Gebiet Crivitz-Ost bei Krudopp, das aktuell im Bauausschuss heiß diskutiert werden soll?
Und doch gab es Kontakt: Am 7. April 2025 beschloss die Stadtvertretung Crivitz einen Nutzungsvertrag mit der Energieallianz MV Projekt Nr. 11 GmbH & Co. KG – für Wege, Leitungen und Kranstellplätze. Einnahmen winken, aber von echter Bürgerbeteiligung bleibt nichts übrig. Für Crivitz bedeutet das: erst einmal leer ausgehen. Wahrscheinlich läuft es auf eine Ersatzzahlung an das Land hinaus, über die der Landkreis entscheidet. Ob die Nachbargemeinden Zapel und Barnin im Stillen verhandeln, ist unklar. Bekannt ist nur, dass sie ihre eigenen Energieparkpläne schon 2024 zurückgezogen haben und einst gemeinsam mit Crivitz (Ortsteil Wessin) auftreten wollten – eine Bekundung, die inzwischen zwölf Monate alt ist.
So bleibt die ironische Pointe: Während die Windräder schon gebaut werden – sind die Fristen für die Bürgerbeteiligung längst vorbei, oder etwa nicht? Für Wessin ist das Gesetz damit nur noch ein Kapitel im Lehrbuch der verpassten Chancen.
Fazit:
Der Entwurf des Bürgerbeteiligungsgesetz 2.0 verspricht Teilhabe, liefert aber vor allem komplizierte Soll-Regeln. Die groß angekündigten 0,6 Cent pro Kilowattstunde sind eher ein politisches Schaufenster als ein verbindlicher Anspruch. In der Praxis bleibt nur die Pflicht zu 0,2 Cent – ein Betrag, der kaum Begeisterung weckt.
Scheitern die Verhandlungen, fließt das Geld als Ersatzzahlung ins Land, nicht in die Gemeindekasse. Damit bleibt der Bürger Zuschauer, während Betreiber und Verwaltung die eigentlichen Akteure sind. Am Ende ist es weniger Beteiligung als ein eleganter Weg, Zustimmung zu kaufen, ohne echte Mitbestimmung zu gewähren.


















































































































































































































































































































































































































