16.Okt.2025 /P-headli.-cont.-red./459[163(38-22)]/CLA-295/34-2025
*Sötenbarg* schrumpft – „Crivitz West“ als halbe Lösung?

Die Frage drängt sich auf: Wer hat hier den Wind gestutzt – und warum?
Während Bürgerbeteiligung ausbleibt und politische Entscheidungen hinter verschlossenen Türen fallen, wird aus einem ambitionierten Energiekonzept eine halbe Lösung mit voller Tragweite.
Wer profitiert, wer verliert – und wer entscheidet das?
Die rund 59,33 Hektar große Fläche am Waldrand, derzeit genutzt als Acker- und Dauergrünland, bietet auf den ersten Blick ausreichend Raum für Windkraftnutzung. Rein rechnerisch könnten dort etwa 11 bis 12 Windräder errichtet werden – vorausgesetzt, alle Flächen wären uneingeschränkt nutzbar. Doch realistisch betrachtet, also unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten, liegt das Potenzial deutlich darunter. Teile der Fläche sind im Flächennutzungsplan als Schutzgebiet für Moorentwicklung ausgewiesen, was eine Bebauung stark einschränkt oder ganz ausschließt. Hinzu kommt ein nachrichtlich dargestelltes Bodendenkmal, das ebenfalls Einfluss auf die Platzierung und Genehmigungsfähigkeit einzelner Anlagen haben kann. Auch die Lage am Waldrand bringt zusätzliche Anforderungen mit sich – etwa in Bezug auf Artenschutz, Schall- und Schattenwurf sowie Zuwegungen. Unter diesen Bedingungen ist davon auszugehen, dass sich auf der Fläche realistisch etwa 8 bis 10 Windräder genehmigungsfähig unterbringen lassen – vorausgesetzt, der Flächennutzungsplan wird entsprechend geändert und alle erforderlichen Umwelt- und Fachgutachten fallen positiv aus.
In Crivitz, jener kleinen Stadt mit großer Geschichte, weht seit geraumer Zeit ein Wind, der nicht nur die Felder streift, sondern auch die Gemüter bewegt. Es ist ein Wind der Veränderung – doch statt frischer Brise scheint er durch verschlossene Türen zu ziehen, durch Sitzungsräume, deren Fenster zur Öffentlichkeit verriegelt sind. Was sich hier in den vergangenen Monaten rund um die Windenergieplanung abgespielt hat, ist mehr als nur technisches Verwaltungshandeln. Es ist ein Lehrstück über Macht, Einfluss, politische Wiederauferstehung – und über eine Bürgerbeteiligung, die in der Theorie existiert, in der Praxis aber immer wieder übergangen wird.
Bereits im Juni 2024 hatte die UKA Umweltgerechte Kraftanlagen GmbH einen Antrag beim Regionalen Planungsverband Westmecklenburg eingereicht. Ziel war die Aufnahme des rund 117 Hektar großen Gebietes „Sötenbarg“ als neues *Voranggebiets* für Windeignung. Die Fläche liegt strategisch günstig zwischen Sukow, Tramm und Crivitz, mit guter Windhöffigkeit und direkter Netzanbindung über ein neues Umspannwerk bei Wessin. Alles schien vorbereitet – die technischen Voraussetzungen erfüllt, die Infrastruktur vorhanden, die Argumente überzeugend.
Doch die Entscheidung der 75. Verbandsversammlung der regionalen Planungverbandes Westmecklenburg am 1. Oktober 2025 fiel anders aus: Die Fläche wurde abgelehnt. Eine Aufnahme sei für das Erreichen des aktuellen Flächenbeitragswerts von 1,4 % bis 2027 nicht notwendig. Vielleicht ab 2030, hieß es. Vielleicht. Die WEMAG zeigte sich mit dem Beschluss des Planungsverbandes nicht einverstanden. Der Wegfall geplanter Windflächen bedeutet für das Unternehmen hohe Verluste – sowohl durch bereits erbrachte Vorleistungen als auch durch entgangene Erträge. Schadensersatzforderungen stehen im Raum. Doch das Thema „Sötenbarg“ ist damit keineswegs abgeschlossen: Die 117 Hektar Potenzialfläche könnten schon bald wieder auf die politische Tagesordnung kommen. Denn was heute abgelehnt wird, kann morgen wieder strategisch relevant sein.
Während die UKA auf eine überregionale Lösung setzte, hatte die WEMAG Netz GmbH längst eine andere Strategie gewählt – eine, die auf kommunaler Ebene ansetzte. Bereits im Mai 2025 stellte sie einen Antrag auf Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt Crivitz beim Amt Crivitz. Ziel: die Ausweisung eines Windenergiegebiets im Bereich „Crivitz West“. Anders als bei UKA ging es hier nicht um ein Vorranggebiet im Regionalplan, sondern um eine kommunale Lösung – mit direkter Beteiligung der Stadt Crivitz. Und diese war vorbereitet: Schon im November 2024 hatte die Stadt Crivitz eine Absichtserklärung mit der mea Energieagentur MV unterzeichnet. Geplant sind Fernwärme für das Wohngebiet „Neustadt“, Photovoltaik auf städtischen Dächern, Windräder auf kommunalen Flächen. Alles unter dem Banner der Sektorenkopplung – Strom aus Wind, Wärme für alle.
Doch wer wusste davon? Wer wurde gefragt? Die Bürger jedenfalls nicht. Im September 2024 ließ er sich Herr Alexander Gamm als Vorsitzender der Arbeitsgruppe Energie und Wärme – nicht lumpen und spendierte der Öffentlichkeit großzügige sechs Minuten – auf zwei DIN-A4-Seiten verteilt. Ein kurzer, aber erlesener Einblick in das Konzept, der gerade so ausreichte, um den Schein der Öffentlichkeit zu wahren! Eine geradezu bemerkenswerte Geste, wenn man bedenkt, dass sämtliche vorherigen und zukünftigen Sitzungen sowie Beschlüsse ausschließlich im Verborgenen abgehandelt wurden und weiterhin werden.
Dabei ist die Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommerns eindeutig: Bei überörtlich bedeutsamen Planungen müssen Bürger frühzeitig informiert und beteiligt werden. Doch in Crivitz scheint diese Regel eher als Option verstanden zu werden – eine, die man ignorieren kann, wenn sie unbequem wird. Weder der UKA-Antrag noch die WEMAG-Initiative wurden transparent kommuniziert. An die Stelle offener und nachvollziehbarer Entscheidungen ist ein System getreten, in dem Abläufe nicht mehr transparent sind und informelle Netzwerke die Richtung vorgeben. Wichtige Weichenstellungen scheinen weniger in den dafür vorgesehenen Gremien als vielmehr im geschlossenen Zirkel der Führungsebene getroffen zu werden, ohne die Öffentlichkeit einzubeziehen.
Besonders deutlich wurde die politische Atmosphäre rund um das Windenergieprojekt am 18. September 2025, als der Bauausschuss der Stadt Crivitz tagte. Was als reguläre Sitzung begann, entwickelte sich rasch zu einem Paradebeispiel für die intransparente und konfliktreiche Art, mit der zentrale Zukunftsfragen in Crivitz behandelt werden. Der Tagesordnungspunkt zur Einleitung eines Verfahrens zur Änderung des Flächennutzungsplans – konkret zur Ausweisung des neuen Windeignungsgebiets „Crivitz West“ – tauchte zunächst im öffentlichen Teil der Sitzung auf. Doch kaum war er genannt, wurde er unter dem Vorwand weiterer Klärung in den nichtöffentlichen Teil verschoben. Die Begründung kam von Alexander Gamm, dem Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Wärme und Energie, der mit einem knappen „Da müssen wir aber noch einmal darüber reden“ den Deckel auf das Thema legte – und damit die politische Schatztruhe erneut verschloss.
Doch nicht nur die inhaltliche Verschiebung war bemerkenswert. Auch die Art und Weise, wie Herr Alexander Gamm ( in Facebook auch als Paul Hermann unterwegs) sich in der Sitzung verhielt, sorgte für Unmut. Gleich zu Beginn der Sitzung hat er ein Mitglied der AfD-Fraktion mit den Worten „Wir legen keinen Wert auf Sie hier“ brüsk abgewiesen – eine persönliche Herabwürdigung, die weder durch den Vorsitz noch durch andere Ausschussmitglieder sofort unterbunden wurde. Die Mimik der übrigen Teilnehmer sprach Bände: Irritation, Unbehagen, aber kein Widerspruch. Erst als Herr Alexander Gamm später auch anwesende Bürger verbal angriff, griff der Ausschussvorsitzende ein und rief ihn zur Ordnung – allerdings erst, nachdem Alexander Gamm seinem politischen Frust freien Lauf gelassen hatte.
Diese Szene ist kein Einzelfall. Alexander Gamm, der bei der Kommunalwahl 2024 mit nur 67 Stimmen auf Rang 33 landete und keinen Sitz in der Stadtvertretung erringen konnte, wurde später durch die CWG – Crivitz (Crivitzer Wählergemeinschaft) jener Wählergruppe, aus der auch seine Ehefrau ( Britta – Brusch Gamm) stammt und die mittlerweile die Bürgermeisterin stellt – als sachkundiger Einwohner in den Bauausschuss benannt. Seitdem ist er wieder auf seiner alten Wirkungsstätte aktiv, mit einer Rhetorik, die oft weniger von Sachlichkeit als von persönlicher Abrechnung geprägt ist. Seine Auftritte in öffentlichen Sitzungen sind regelmäßig von provokanten Kommentaren, abwertenden Gesten, Zwischenrufen und einer Haltung durchzogen, die eher an politische Selbstinszenierung als an konstruktive Ausschussarbeit erinnert.
Gerade in einem Gremium, das über zentrale Infrastrukturprojekte entscheidet – über Windkraft, Wärmeversorgung, kommunale Beteiligungsmodelle – ist ein solches Verhalten nicht nur unangemessen, sondern gefährlich. Es untergräbt das Vertrauen der Bürger in die demokratischen Prozesse, erschwert sachliche Diskussionen und verstärkt den Eindruck, dass in Crivitz politische Entscheidungen nicht im Licht der Öffentlichkeit, sondern im Schatten persönlicher Interessen getroffen werden.
„Energiewende mit Preisetikett – Crivitz zwischen Gewinn und Gemeinwohl“

Das Bild bringt die zentrale Botschaft visuell auf den Punkt:
Die Windkraft in Crivitz ist nicht nur ein ökologisches Projekt, sondern auch ein wirtschaftliches Machtinstrumen
So soll also die Stadt Crivitz mit 30–40 % an einer neuen Betreibergesellschaft für das neue Windeignungsgebiet *Crivitz West* beteiligt werden – ein Schritt, der weitreichende finanzielle und politische Folgen haben könnte. Diese Gesellschaft soll gemeinsam mit der WEMAG Netz GmbH und der mea Energieagentur Mecklenburg-Vorpommern gegründet werden und die Errichtung sowie den Betrieb moderner Windkraftanlagen auf städtischen und gegebenenfalls auch Umlandflächen übernehmen. Grundlage für diese Kooperation bildet eine bereits im September 2024 unterzeichnete Absichtserklärung zwischen der Stadt Crivitz und der mea, in der neben der Windenergie auch die Entwicklung eines Wärmeversorgungsprojekts für das Wohngebiet „Neustadt“ vereinbart wurde. Ziel ist eine sektorenübergreifende Versorgung, bei der Strom aus Windkraft direkt zur Wärmebereitstellung genutzt wird – ein Modell, das unter dem Begriff „Sektorenkopplung“ zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Die Stadt Crivitz bringt dabei nicht nur Flächen ein, sondern wird von Beginn an als aktiver Gesellschafter in die Projektentwicklung eingebunden. Der kommunale Anteil soll nicht nur symbolisch sein, sondern sich auch finanziell bemerkbar machen: Laut Projektbeschreibung wird jede genehmigte Windenergieanlage vermutlich jährlich zwischen 36.000 und 40.000 Euro an die betroffenen Gemeinden des Amtes Crivitz (sicherlich Crivitz und Sukow) – abwerfen. Diese Einnahmen könnten eine neue, stabile Säule im kommunalen Haushalt darstellen, insbesondere in Zeiten knapper öffentlicher Mittel. Darüber hinaus ist ein lokaler Strompreisbonus vorgesehen, der den Bürgern direkt zugutekommen soll und als Instrument zur Akzeptanzsteigerung dient. Die Betreibergesellschaft selbst soll diesen Bonus als Fixbetrag pro genehmigter Anlage bereitstellen – ein Modell, das nicht nur ökologisch, sondern auch sozialpolitisch Wirkung entfalten könnte.

Doch hinter dieser wirtschaftlich vielversprechenden Konstruktion verbirgt sich auch eine politische Dimension, die Fragen aufwirft.
Die Projektentwicklung des Windenergievorhabens „Crivitz West“ wird derzeit maßgeblich von der mea Energieagentur Mecklenburg-Vorpommern GmbH vorangetrieben – und zwar vollständig auf deren eigene Kosten und Risiko. Das bedeutet: Noch bevor die Stadt Crivitz formell in die Betreibergesellschaft eintritt oder konkrete Haushaltsmittel bereitstellt, übernimmt die mea die gesamte Vorleistung für Planung, Genehmigung und fachliche Absicherung des Projekts. Sie koordiniert das komplexe Genehmigungsverfahren, das für die Errichtung von Windenergieanlagen erforderlich ist, und beauftragt spezialisierte Planungsbüros sowie unabhängige Gutachter mit der Erstellung aller notwendigen Unterlagen. Dazu zählen insbesondere die raumordnerischen, naturschutzfachlichen und technischen Fachgutachten, die für die Antragstellung bei den zuständigen Behörden unerlässlich sind.
Diese Vorgehensweise zeigt, wie ernsthaft und strategisch die mea das Projekt „Crivitz West“ verfolgt. Sie investiert nicht nur finanziell, sondern auch planerisch in eine Infrastruktur, die langfristig die Energieversorgung der Stadt transformieren könnte. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Stadt Crivitz in eine komfortable Position gebracht wird: Sie kann sich als Mitgesellschafterin mit einem Anteil von 30 bis 40 Prozent an der späteren Betreibergesellschaft beteiligen, ohne die initialen Risiken tragen zu müssen. Die Vorleistung der mea schafft somit nicht nur die planerischen Voraussetzungen, sondern auch eine politische und wirtschaftliche Grundlage für die spätere kommunale Beteiligung – mit potenziell hohen Einnahmen und Einflussmöglichkeiten.
Doch diese Konstellation wirft auch Fragen auf: Wer kontrolliert die inhaltliche Ausgestaltung der Gutachten? Wie transparent werden die Ergebnisse kommuniziert? Und wie wird sichergestellt, dass die Interessen der Bürgerinnen und Bürger von Crivitz nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch und sozial berücksichtigt werden? Denn während die Projektentwicklung professionell voranschreitet, bleibt die öffentliche Diskussion bislang aus – ein Umstand, der angesichts der Tragweite des Vorhabens dringend korrigiert werden sollte.
Gerade für politisch angeschlagene Akteure, die bei vergangenen Wahlen wenig Rückhalt fanden, bietet sich hier eine Bühne zur Reetablierung. Die Aussicht auf Mitgestaltung, Einfluss und möglicherweise auch Vergütung innerhalb der Gesellschaft macht die Windenergie nicht nur zu einem ökologischen, sondern auch zu einem machtpolitischen Projekt. Kritiker sprechen bereits von einer „Karriere-Oase“, in der sich neue Netzwerke bilden und alte Kontakte reaktivieren lassen.
Doch diese vielschichtige Konstruktion aus Energiepolitik, Haushaltsstrategie und kommunaler Beteiligung verdient eine öffentliche Diskussion, die ihrem Gewicht gerecht wird. Denn was hier entsteht, ist ein komplexes Geflecht aus ökonomischen Interessen, politischer Selbstverortung und struktureller Machtverlagerung. Die Bürgerinnen und Bürger von Crivitz haben ein Recht darauf, frühzeitig informiert und beteiligt zu werden – nicht nur als Nutznießer, sondern als Mitgestalter einer nachhaltigen und demokratisch legitimierten Energiezukunft. Transparenz, kritische Begleitung und der Blick auf das Gemeinwohl müssen dabei im Zentrum stehen. Nur so kann aus einem Windprojekt ein echtes Gemeinschaftsprojekt werden – und aus der politischen Schatztruhe ein offenes Buch.
Das Fazit lautet daher:
Die Windenergie in Crivitz ist ein Projekt mit großem Potenzial – ökologisch, ökonomisch und sozial. Doch dieses Potenzial kann nur dann zum Tragen kommen, wenn die Prozesse, die es hervorbringen, demokratisch legitimiert, transparent geführt und kritisch begleitet werden. Die Bürgerinnen und Bürger müssen frühzeitig informiert, ernsthaft beteiligt und respektvoll behandelt werden. Nur dann wird aus Windkraft ein Gemeinschaftsprojekt – und nicht ein exklusives Karrieresprungbrett in der politischen Windstille.