12.Nov.2025 /P-headli.-cont.-red./466[163(38-22)]/CLA-302/41-2025

Demokratie hat sich hier offenbar eine verlängerte Auszeit genommen.
Es gibt diese besonderen Momente in der Kommunalpolitik, in denen man sich fragt, ob die Uhr nicht nur langsam tickt, sondern ob sie schlicht den Dienst quittiert hat. Genau so wirkt es derzeit in Crivitz, wo die Bürgerinnen und Bürger der Ortsteile Wessin und Gädebehn seit über 500 Tagen geduldig auf ihre demokratisch gewählten Ortsteilvertretungen warten – und nun erfahren mussten, dass sie noch weitere 320 Tage Geduld aufbringen sollen. Wie in der Stadtvertretersitzung am 27. Oktober 2025 verkündet wurde, soll die direkte Wahl der Ortsteilvertretungen erst am 20. September 2026 stattfinden. Das ist nicht weniger als zwei Jahre und drei Monate nach der Kommunalwahl 2024. Man könnte sagen: Demokratie braucht hier nicht nur einen langen Atem, sondern auch ein bequemes Sitzkissen und eine Thermoskanne für die Wartezeit.
Dabei hätte alles ganz anders laufen können – wenn man denn gewusst hätte, dass es überhaupt eine Wahl geben könnte. Denn zur Kommunalwahl 2024 bestand die Möglichkeit, die Ortsteilvertretungen direkt zu wählen. Nur: Das war offenbar ein gut gehütetes Geheimnis, fast so, als stünde es in einer Fußnote, die niemand liest. In der Stadtvertretersitzung wurde beteuert, dass diese Option für viele „völlig neu“ gewesen sei. Man könnte meinen, dass Wahlmöglichkeiten zur Wahl gehören – aber in der Stadt Crivitz scheint das eher ein optionales Extra zu sein, das man nur auf Nachfrage erhält.

Nun also die Lösung: Die Wahl der Ortsteilvertretungen wird mit der Landtagswahl am 20. September 2026 zusammengelegt. Das spart Kosten, vereinfacht Abläufe und ist organisatorisch sicher bequem. Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet das allerdings: Noch einmal zehn Monate, zwei Wochen und zwei Tage warten – auf eine Wahl, die längst hätte stattfinden können. Und wenn sie dann endlich wählen dürfen, bleibt der neuen Vertretung gerade einmal zwei Jahre und acht Monate im Amt, bevor schon wieder neu gewählt wird. Demokratie auf Zeit, könnte man sagen. Oder: Ein Hoch auf die Effizienz – wenn man Effizienz als die Kunst versteht, Dinge möglichst lange hinauszuzögern. Und wer kandidieren will, sollte den Kalender zücken: Der letzte Tag zur Einreichung von Bewerbungen für die direkte Wahl ist der 7. Juli 2026.

Besonders charmant ist dabei die stille Voraussetzung, die niemand so recht aussprechen wollte: Die derzeitigen Ortsteilvertreter aus dem Jahr 2019 sollen bitte noch ein weiteres Jahr durchhalten – ganz ohne frische Legitimation, aber mit viel Geduld. Denn nur wenn sie ihre Bereitschaft bekunden, bis zum Wahltermin im Amt zu bleiben, kann die Übergangsphase überhaupt funktionieren. Falls nicht, droht ein demokratisches Vakuum – oder wie man in Crivitz sagen würde: eine kreative Pause im Mitbestimmungsprozess. Statt von „Sabbatical“ zu sprechen, sagen wir es lieber klar: Die Demokratie hat sich hier offenbar eine verlängerte Auszeit genommen.

Die Ironie liegt nicht nur im Zeitverlauf, sondern auch in der Tatsache, dass Demokratie hier nicht an fehlendem Engagement scheitert, sondern an Verfahrensschleifen, Satzungswirrwarr und organisatorischer Bequemlichkeit. Die Bürger von Wessin und Gädebehn haben gewählt. Sie haben sich eingebracht. Sie haben auf demokratische Verfahren vertraut. Und sie warten. Seit über 500 Tagen. Nun sollen sie noch 320 weitere Tage warten – auf eine Wahl, die längst hätte stattfinden können.
Demokratie beginnt vor Ort. Aber in Crivitz scheint sie erst einmal auf Urlaub zu sein – mit offenem Rückflugdatum und vielleicht sogar einem verlängerten Aufenthalt.
Fazit:
Die Geschichte von Wessin und Gädebehn zeigt, wie Demokratie im Schneckentempo zur Farce werden kann. Über 500 Tage ohne Vertretung, weitere 320 Tage bis zur Wahl – und das alles, obwohl die Möglichkeit längst bestand. Statt Bürgernähe gibt es Verfahrensschleifen, statt Mitbestimmung eine verlängerte Wartezeit. Am Ende bleibt der Eindruck: Demokratie ist zwar versprochen, aber sie kommt verspätet – wie ein Zug, der immer wieder auf unbestimmte Zeit verschoben wird. Und wer glaubt, dass Bürgerbeteiligung selbstverständlich ist, lernt in Crivitz: Sie ist eher ein Geduldsspiel.