Die Finanzmisere in Crivitz – ein Jahrzehnt der Fehlentwicklungen und jetzt vor dem finanziellen Wendepunkt.

12.Dez.2025 /P-headli.-cont.-red./473[163(38-22)]/CLA-309/48-2025

Crivitz steht an einem Punkt, an dem die finanziellen Probleme nicht länger verdrängt werden können. Über Jahre hinweg haben sich Defizite aufgebaut, die inzwischen die Handlungsfähigkeit der Stadt massiv einschränken. Rücklagen wurden aufgebraucht, Kosten sind explodiert, und die Spielräume für freiwillige Leistungen oder neue Projekte sind fast verschwunden. Die Bürgerinnen und Bürger sehen sich mit der Realität konfrontiert: Die Krise ist hausgemacht, sie hat sich über ein Jahrzehnt entwickelt – und jetzt entscheidet sich, ob die Stadt den Kurs korrigiert oder endgültig in die Handlungsunfähigkeit abrutscht.

Als die Stadtvertretung Crivitz am 8. 12. 2025 zusammenkam, lag eine seltsame Mischung aus Ernüchterung, Dringlichkeit und dem Bewusstsein über den eigenen Rückstand in der Luft. Der Anlass war der Jahresabschluss 2023, der –formal ein Jahr verspätet – erst jetzt vorgelegt wurde und die Rechtsaufsicht die Stadt verpflichtet hatte, diesen bis zum 31. Dezember 2025 festzustellen.

Ein Jahrzehnt im Minus – die Bilanz 2014 bis 2024

Die eigentliche Brisanz lag jedoch nicht in der verspäteten Vorlage, sondern in den nackten Zahlen, die eine strukturelle Schieflage sichtbar machen, die sich über Jahre hinweg aufgebaut hat und die Handlungsfähigkeit der Stadt inzwischen massiv einschränkt.

Der Jahresabschluss 2023 weist einen Fehlbetrag von –815.249,74 Euro aus, der nur durch Entnahmen aus Rücklagen und Reserven ausgeglichen werden konnte. Damit setzt sich die Serie negativer Ergebnisse fort, die bereits 2021 mit einem Minus von –144.577,32 Euro begann, sich 2022 mit einem Defizit von –947.009,41 Euro dramatisch verschärfte und 2023 ein weiteres Loch hinterlässt. Auch der Vorausblick auf 2024 ist kaum besser: Ein Fehlbetrag von rund –546.182,14 Euro wird erwartet. In der Gesamtschau der Jahre 2014 bis 2024 ergibt sich ein kumuliertes Jahresergebnis von –2.560.719,94 Euro, was einem durchschnittlichen Defizit von –232.792,72 Euro pro Jahr entspricht – Zahlen, die nicht nur eine Momentaufnahme, sondern die Chronik einer strukturellen Fehlentwicklung über eine Dekade darstellen.

Warum der Haushalt aus dem Gleichgewicht gerät

Trotz steigender Einnahmen gelingt der Stadt seit 2021 kein unterjähriger Haushaltsausgleich mehr ohne Entnahmen aus Rücklagen und Reserven. Die Ursachen liegen in einer Kostenstruktur, die den Handlungsspielraum nahezu auffrisst: Vor allem die Personalkosten und die externen Kosten wachsen in einer Dynamik, die die Planung immer wieder überholt.

Für 2023 wurden die Personalkosten deutlich höher als im Vorjahr veranschlagt und erreichten 4,5 Mio. €, für 2024 setzt sich der Trend fort und es wird eine weitere Steigerung auf 4,8 Mio. € erwartet. Damit schlagen sie mit rund 35 Prozent der Gesamtaufwendungen zu Buche, während die externen Kosten weitere 40 Prozent ausmachen. Zusammengenommen sind damit 75 Prozent des Haushalts bereits fest gebunden – ein Spielraum, der freiwillige Leistungen, neue Projekte oder flexible Steuerung zunehmend unmöglich macht. Diese starre Bindung der Mittel ist das eigentliche Nadelöhr der kommunalen Finanzpolitik in Crivitz: Sie lässt der Stadt zwar wachsende Einnahmen verbuchen, aber noch schneller wachsende Ausgaben tragen, die sich der kurzfristigen Steuerung entziehen. Besonders deutlich wird im Bericht zum Jahresabschluss die Problematik in den kommunalen Einrichtungen, in denen die Kostenlinie sehr klar und zugleich schwer umkehrbar verläuft.

Gebäudereinigung: Qualität gewonnen, Kosten explodiert

Die kommunale Gebäudereinigung verursachte 2023 Aufwendungen in Höhe von 637.963€, davon allein 589.544 € Personalkosten. Der Personalbestand stieg auf 22 Kräfte – vier mehr als im Vorjahr. Die Einnahmen basieren auf Eingliederungszuschüsse, Erstattungen durch die Krankenkasse für Mutterschutz und Beschäftigungsverbot und die Erstattung der einmalig gezahlten Energiepreispauschale. Zwar konnte durch eine Kosten- und Leistungsrechnung und die interne Leistungsverrechnung ein rechnerisch neutrales Ergebnis im Produkt Reinigung erzielt werden, doch die tatsächliche Kostenentwicklung bleibt besorgniserregend und zeigt, wie eng die Spielräume sind, wenn die fixen Komponenten wachsen und die Einnahmen strukturell nicht mithalten.

Auf die Kritik der Rechnungsprüfung reagierte Bürgermeisterin Britta Brusch-Gamm (CWG) erstmals mit einer schriftlichen Stellungnahme die öffentlich zugänglich war, in der sie die Eigenreinigung verteidigt und als Qualitätsgewinn darstellt. Sie verweist auf überarbeitete Hygienepläne, Mengenrabatte bei Bestellungen und die Neustrukturierung der Zuständigkeiten seit Mai 2025. Die Entscheidung zur Eigenreinigung sei notwendig gewesen, da frühere Vergaben an externe Firmen zu mangelhaften Leistungen geführt hätten. Man habe „ganze Ordner voller Rechnungskürzungen“ und sogar städtische Mitarbeiter hätten die Reinigung übernehmen müssen – in Kindereinrichtungen.

Doch diese Darstellung blendet zentrale haushaltspolitische und juristische Folgen aus. Denn die Eigenreinigung hat nicht zu einer Kostenentlastung geführt, sondern zu einem kontinuierlichen Anstieg der Aufwendungen: Von 142.991€ im Jahr 2019 auf über 600.000 € im Jahr 2023 – bei Einnahmen, die in keinem Jahr auch nur annähernd die Kosten deckten. Das Defizit 2023 beträgt über 563.000 €. Die behauptete „höhere Bindung an die Häuser“ mag organisatorisch sinnvoll erscheinen, doch haushaltstechnisch wurde das Gegenteil erreicht: Die Stadt zahlt mehr, spart nicht – und steht nun zusätzlich vor einem Gerichtsverfahren.

Denn wie der Rechnungsprüfer feststellte in seinem Bericht, hat die Stadt Crivitz bis 2019 eine externe Reinigungsfirma beauftragt, deren Leistungen als mangelhaft bewertet wurden. Rechnungen wurden gekürzt oder gar nicht beglichen. Eine außergerichtliche Einigung scheiterte – nun klagt das Unternehmen auf Zahlung. Der Streitwert beläuft sich auf 57.672,61€, zuzüglich 10.000 € für Zinsen, Gerichts- und Anwaltskosten. Insgesamt wurden Rückstellungen in Höhe von 67.700 € gebildet für 2024– eine Summe, die den Haushalt zusätzlich belastet und die Frage aufwirft, ob die damalige Vergabepraxis und die heutige Umstellung wirklich professionell begleitet wurden.

Die Stellungnahme der Bürgermeisterin enthält viele organisatorische Details, aber wenig haushaltspolitische Einsicht. Sie beschreibt Maßnahmen zur Verbesserung der Abläufe, aber kein klares Konzept zur Kostenbegrenzung. Die Bürgerinnen und Bürger sehen eine Kostenlinie, die Jahr für Jahr steigt – und eine politische Verteidigung, die diese Entwicklung nicht kritisch hinterfragt. Die Eigenreinigung mag in der Praxis besser funktionieren als frühere Vergaben, doch sie ist haushaltstechnisch nicht tragfähig. Und die juristischen Altlasten zeigen: Auch die Vergangenheit wurde nicht sauber abgeschlossen. Was als Qualitätsgewinn dargestellt wird, ist in Wahrheit ein Kostenproblem mit juristischem Anhang. Die Stadt zahlt mehr, steht vor Gericht – und die politische Kommunikation bleibt defensiv. Das ist keine Entlastung, sondern eine Belastung. Und sie verlangt endlich eine ehrliche Neubewertung: Was kostet uns Qualität wirklich? Und wie viel davon können wir uns noch leisten?

Bauhöfe ohne klare Kostenkontrolle

Noch gravierender ist die Situation bei den kommunalen Bauhöfen, deren Aufwendungen sich auf 648.285 € beliefen, davon 457.131€ Personalkosten – ein Anteil von 70,52 Prozent. Hier fehlt eine Kosten-Leistungs-Rechnung vollständig, sodass Transparenz und Steuerungsmöglichkeiten nicht gegeben sind; die ausgewiesenen Erträge resultieren im Wesentlichen aus Korrekturbuchungen früherer Personalkosten, einer Kostenerstattung für den Glasfaseranschluss und dem Verkauf eines Multicar, dessen Differenz zwischen Verkaufserlös und Restbuchwert einen Ertrag von 6.499 Euro ausmacht. Die fehlende interne Verrechnung wirkt als Hemmschuh, insbesondere dort, wo Bauhofleistungen für die Kitas, deren Gebäude und Anlagen systematisch abgegrenzt und in Leistungsverhandlungen abgebildet werden müssten.

Kindereinrichtungen in den vergangenen Jahren im Dauerdefizit

Hinzu kommen die Kindertagesstätten, die ebenfalls die durchschnittlichen Defizite von 2019 bis 2023 aufweisen: Der Hort Crivitz mit –45.554,63€, der Kindergarten „Uns Lütten“ mit –90.838,39€ und der Kindergarten „Marienkäfer“ in Wessin mit –30.838,39€. Jahrelang schleppend verlaufene Leistungsverhandlungen wurden erst seit zwei Jahren intensiviert; solange die interne Verrechnung – insbesondere mit Blick auf Bauhofleistungen – nicht belastbar hinterlegt ist, bleiben die Verhandlungsergebnisse jedoch unterdurchschnittlich und die Defizite bestehen.

Repräsentationskosten: Nett gemeint, teuer bezahlt

Auch die Gesamtkosten der Repräsentationen der Stadt Crivitz stiegen merklich: 10.484,88 € für die Bürgermeisterin und insgesamt 71.201,41€ für die Stadt im Jahr 2023. Diese Zahlen sind jedoch kein Einzelfall, sondern Teil einer kontinuierlichen Entwicklung, die sich über mehrere Jahre hinweg aufgebaut hat und inzwischen eine eigene haushaltspolitische Relevanz entfaltet. Die Gesamtkosten der Repräsentation stiegen von 20.986,75€ im Jahr 2020 – einem Jahr, das pandemiebedingt unter dem Zeichen von Corona stand – auf 39.218,52€ im Jahr 2021, weiter auf 59.648,28€ in 2022 und schließlich auf 71.201,41 € im Jahr 2023. Für 2024 sind bereits 68.700€ veranschlagt, und für 2025 sogar 77.600€. Die lineare Trendlinie zeigt eine klare Aufwärtsbewegung, die sich haushaltstechnisch nicht mehr ignorieren lässt.

Auf die Kritik der Rechnungsprüfung zum Jahresabschluss 2023 reagierte die Bürgermeisterin Frau Britta Brusch-Gamm (CWG – Crivitz) erstmals mit einer schriftlichen Stellungnahme, die öffentlich zugänglich gemacht wurde. Darin heißt es unter anderem: „Das Weihnachtsessen […] ist Dank und Anerkennung für die gute Zusammenarbeit, ist ein einander Kennenlernen und Netzwerken.“ Auch Betriebsfeste seien laut Stellungnahme dazu da, „das Miteinander und damit das Betriebsklima“ zu verbessern, um Versetzungen und Krankschreibungen zu vermeiden. Die Stadtfahrt wird als„Geste gegen Vereinsamung“und als „mobile Bürgermeistersprechstunde“ beschrieben. Und bei internen Beratungen sei es Ausdruck von „Wertschätzung und Anerkennung“, wenn mal belegte Brötchen oder eine Bockwurst übernommen würden. Die stark gestiegenen Repräsentationskosten sind nicht nur Zahlen auf dem Papier, sondern ein politisches Ergebnis: Sie entstanden in der Zeit, in der die CWG – Crivitz (Crivitzer Wählergemeinschaft) von 2019 bis 2024 die absolute Mehrheit hatte und den Kurs der Stadt bestimmte. Damit zeigt sich klar, dass diese Ausgaben eine bewusste politische Entscheidung waren – und die Bürgerinnen und Bürger müssen sich fragen, ob solche Kosten in der jetzigen Zeit noch verhältnismäßig und verantwortbar sind.

Diese Argumentation der Bürgermeisterin Frau Britta Brusch-Gamm ( CWG – Crivitz) wirkt auf den ersten Blick empathisch, doch sie offenbart bei genauerer Betrachtung eine bemerkenswerte Abwehrhaltung gegenüber der haushaltspolitischen Kritik. Die Bürgermeisterin betont zwar, man werde die Repräsentationskosten sehr genau prüfen und sich mit dem Amt abstimmen“, doch diese Formulierung bleibt vage und unverbindlich. Statt einer klaren Einsicht in die haushaltspolitische Tragweite der Ausgaben wird ein sozialer Nutzen behauptet, der sich weder in den Zahlen noch in der Wirkung gegenüber der Öffentlichkeit widerspiegelt. Die grafisch belegte Kostenentwicklung zeigt eine kontinuierliche Steigerung der Repräsentationsausgaben – sowohl in der Gesamtsumme als auch im Einzelbudget der Bürgermeisterin. Diese Entwicklung steht im Widerspruch zu der behaupteten Sparsamkeit („Dafür sparen wir bei all unseren Gremiensitzungen die Konferenzgetränke“) und lässt sich nicht durch Einzelfälle wie eine Stadtfahrt mit 300 Euro Überschuss relativieren. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass die Repräsentationspraxis sich verselbständigt hat – mit einer Ausweitung der Formate, einer Normalisierung der Ausgaben und einer politischen Verteidigung, die wenig Raum für Selbstkorrektur lässt.

Sogar die Repräsentationskosten der Bürgermeisterin selbst folgen diesem Trend: Von 4.767,36€ im Jahr 2020 stiegen sie auf 8.656,72€ in 2021, auf 8.752,94€ in 2022 und auf 10.484,88€ in 2023. Für 2024 sind 10.000€ angesetzt, für 2025 bereits 15.000€. Die lineare Trendlinie zeigt auch hier eine kontinuierliche Steigerung, die sich nicht allein durch inflationäre Effekte oder Einmalanlässe erklären lässt. Vielmehr ist hier eine strukturelle Ausweitung der Repräsentationspraxis zu erkennen, die sich über mehrere Haushaltsjahre hinweg verfestigt hat.

Die Bürgermeisterin Frau Britta Brusch-Gamm ( CWG – Crivitz) beschreibt ihre Repräsentationsausgaben als Ausdruck von Nähe, Austausch und Wertschätzung – etwa durch Weihnachtsessen, Stadtfahrten oder kleine Gesten im Arbeitsalltag. Doch genau diese gut gemeinten Absichten stehen inzwischen im Widerspruch zur finanziellen Realität der Stadt. Denn während die Kosten für solche Veranstaltungen und Maßnahmen Jahr für Jahr steigen, schrumpft gleichzeitig der Spielraum für andere wichtige Aufgaben – etwa für Investitionen, freiwillige Leistungen oder die Absicherung der Grundversorgung. Die Kritik aus dem Rechnungsamt und aus der Bürgerschaft wächst, weil viele den Eindruck gewinnen: Hier wird Geld für Dinge ausgegeben, die zwar nett gemeint sind, aber nicht mehr im Verhältnis zu den Möglichkeiten der Stadt stehen.

Die Stellungnahme der Bürgermeisterin wirkt deshalb nicht entlastend, sondern verstärkt das Gefühl, dass die Prioritäten falsch gesetzt wurden. Repräsentationskosten sind kein Randthema – sie zeigen, wie eine Stadt mit ihrem Geld umgeht. Und genau deshalb müssen sie künftig strenger geprüft werden: Was ist wirklich notwendig? Was ist noch angemessen? Und was akzeptieren die Bürgerinnen und Bürger als sinnvoll?

Zwischen Investitionszwang und Haushaltsdisziplin

Crivitz kämpft mit wachsender Schuldenlast und drohender Zinsfalle: Die finanzielle Lage der Stadt ist angespannt wie selten zuvor. Aufgezehrte Rücklagen und fehlende liquide Mittel haben bereits die staatliche Rechtsaufsicht auf den Plan gerufen. Ein Blick auf die Kreditstruktur zeigt, wie eng der Handlungsspielraum geworden ist – und wie lange die Belastung die Stadt noch begleiten wird.

Die drei Kredit-Komponenten im Überblick

  • Grundschule (Start 2019): Kredit über 513.000 €, jährliche Rate 27.189 €. Tilgung bis 2028, Schlusszahlung 295.273,10 €.
  • Kita „Uns Lütten“ (Start 2020): Kredit über 1.787.000 €, jährliche Rate 91.079,16 € (vierteljährlich 22.769,79 €). Volltilgung bis 30. Juni 2040.
  • Bauhof / Investition (Start 2025): Kredit über 225.000 €, jährliche Rate 26.756,04 € (vierteljährlich 6.689,01 €). Volltilgung bis Ende 2034.

Die Erblast der Großprojekte: Seit 2019 wurden in Crivitz wichtige Investitionen in die soziale Infrastruktur gestemmt. Der Umbau der Grundschule und die Sanierung der Kita „Uns Lütten“ galten als unverzichtbar, doch sie wurden ohne ausreichendes finanzielles Polster umgesetzt. Das Ergebnis: eine Schuldenlast von über 1,7 Millionen Euro, die die Stadt bis ins Jahr 2040 begleiten wird – eine Bürde, die kommende Generationen spüren werden.

Der kritische Punkt: 2025: Besonders brisant wird die Lage im Jahr 2025. Trotz leerer Kassen zwingt die Notwendigkeit, den Bauhof zu sichern, zu einer weiteren Kreditaufnahme über 225.000 €. Damit steigt die jährliche Belastung für Zins und Tilgung auf rund 145.000 €. Monatlich müssen über 12.000 € allein für den Schuldendienst erwirtschaftet werden, bevor Mittel für freiwillige Leistungen, Vereinsförderung oder Straßenerhalt zur Verfügung stehen. Erst mit der Schlusszahlung für den Schulkredit Ende 2028 ist eine kleine Entlastung absehbar, doch bis 2034 bleibt die Stadt durch den Bauhof-Kredit zusätzlich gebunden.

Die drohende Zinsfalle: Ein weiteres Risiko liegt in der Zinsbindung des Kita-Darlehens. Der derzeitige Zinssatz von 0,19 % vermittelt trügerische Sicherheit. Läuft die Bindung im Sommer 2030 aus und steigen die Marktzinsen deutlich, könnte die Belastung erdrückend werden – bei einer Restschuld von fast einer Million Euro.

Konsequenzen und Ausblick: Die Stadt befindet sich in einer Phase extremer finanzieller Unfreiheit. Jeder neue Kredit schränkt den Handlungsspielraum für Jahrzehnte ein. Die Prioritäten werden zunehmend von Tilgungsplänen und Aufsichtsbehörden bestimmt, nicht mehr von den gewählten Vertretern.

Die Rolle der CWG – Crivitz Mehrheit 2019–2024

In diesem Zusammenhang darf die politische Verantwortung nicht unter den Tisch fallen. Die CWG‑Fraktion (Crivitzer Wählergemeinschaft) verfügte von 2019 bis 2024 über eine absolute Mehrheit in der Stadtvertretung und prägte in dieser Zeit den finanzpolitischen Kurs wesentlich – sowohl in der strategischen Ausrichtung als auch in der konkreten Haushaltsführung. Entscheidungen zur Personalentwicklung, zur Struktur der freiwilligen Leistungen, zur Investitionspolitik und zur Priorisierung einzelner Produkte wurden unter ihrer Führung getroffen. Das heute dokumentierte kumulierte Defizit von über 2,5 Millionen Euro ist daher nicht allein ein technischer Saldo, sondern auch das Ergebnis einer politischen Mehrheit, die über Jahre hinweg die Richtung vorgab.

Wo Verhandlungen vertagt wurden, wo Kosten-Leistungs-Rechnungen fehlten, wo Steuerungsinstrumente nicht konsequent eingeführt oder genutzt wurden, entstanden Lücken, die sich später als Defizite materialisierten. Insofern trägt die Wählergemeinschaft CWG – Crivitz eine zentrale Verantwortung für die finanzpolitische Entwicklung, die nun sichtbar in eine strukturelle Haushaltskrise münden wird.

Gefährdete Fördermittel und die vorläufige Haushaltsführung 2026

Der Jahresabschluss 2023 erhielt zudem einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk, verursacht durch eine zum Zeitpunkt der Erstellung nicht aktuelle Prüfsoftware. Das Zahlenwerk soll korrekt sein; gleichwohl ist die formale Einschränkung ein weiterer Baustein in einer Kette von Unschärfen, die in der Summe das Vertrauen in die Steuerungsfähigkeit belasten. Der Ausblick auf 2024 zeichnet ein ähnliches Bild: Ein Defizit von rund einer halben Million Euro, ein voraussichtlich besser strukturierter Finanzhaushalt, der jedoch die zentrale Schwäche – die sinkende Liquidität und abgeschmolzene Rücklagen – nicht kompensieren kann. In der Folge drohen auch 2026 Haushaltssperren in einzelnen Bereichen, sollten keine klaren Gegensteuerungen greifen.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Crivitz lebt von der Substanz, und die Uhr tickt. Der Weg zur vollständigen Entschuldung reicht bis ins Jahr 2040 und verlangt strikte Haushaltsdisziplin. Investitionen auf Pump dürfen keine Gewohnheit werden, sondern müssen die Ausnahme bleiben. Nur durch konsequentes Sparen und eine strenge Ausgabenkontrolle kann die Stadt mittelfristig wieder eigenständig über ihre Zukunft entscheiden – ohne dass die Rechtsaufsicht jeden Schritt vorgibt.

Die Zeitachse verschärft die Lage weiter: Der Orientierungsdatenerlass vom 27. November 2025 verlangt für Fördermittelanträge im Jahr 2026 die Vorlage eines aufgestellten Jahresabschlusses 2025 sowie aller festgestellten Vorjahresabschlüsse. Crivitz erfüllt diese Voraussetzung nicht; der Jahresabschluss 2024 hätte bis zum 31. Dezember 2025 beschlossen sein müssen, der Jahresabschluss 2025 muss bis zum 31. Mai 2026 aufgestellt werden. Die Haushaltsplanung 2026 bleibt vage, die Zahlen sollen erst nach dem 31. Dezember verarbeitet werden, der Orientierungsdatenerlass ist im Amt noch nicht angekommen; realistisch ist ein Beschluss für einen Haushaltsatzung 2026 frühestens im April. Ab dem 1. Januar 2026 bedeutet das: vorläufige Haushaltsführung mit beschränkter Mittelausgabe, keine neuen Projekte, nur das zwingend Notwendige.

Was jetzt passieren muss – klare Prioritäten statt weiterem Stillstand

Die Sitzung am 8. Dezember 2025 machte unmissverständlich deutlich, dass die Stadt Crivitz vor einem Wendepunkt steht. Die Stadt ist in ein enges Korsett gewachsen: Einnahmen steigen, aber die gebundenen Ausgaben steigen schneller; Rücklagen wurden genutzt, um Löcher zu schließen, ohne die Ursachen zu beseitigen; die Liquidität schmilzt, während die formalen Anforderungen für Fördermittel die Zeitfenster enger ziehen.

Der Weg aus dieser Lage ist anspruchsvoll, aber er ist möglich, wenn die Stadt sich konsequent auf Steuerung, Transparenz und Priorisierung ausrichtet:Kosten-Leistungs-Rechnungen müssen in allen relevanten Bereichen eingeführt und gelebt werden, insbesondere in den kommunalen Bauhof; Personalkosten sind auf Wirkung, Wirtschaftlichkeit und Priorität zu prüfen; externe Kosten müssen einer strengen Notwendigkeitskontrolle unterzogen und gegebenenfalls begrenzt werden; Repräsentationsausgaben sind transparent zu trennen und auf ein nachvollziehbares Maß zu reduzieren; das Fördermittelmanagement muss auf Fristenstabilität und Projektklarheit getrimmt werden, damit Chancen nicht an Formalien scheitern; freiwillige Leistungen können nur noch im Rahmen der tatsächlich verbleibenden Restmittel verantwortet werden.

Fazit:

Hausgemachte Krise verlangt entschlossenes Handeln